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Selbstbewusstsein in der Welt der Sehbehinderungen

Barbara Vielnascher, Projektleiterin der Schulungseinrichtung für blinde und sehbehinderte Menschen (SEBUS), im Gespräch über Chancengleichheit im Beruf und warum sich sehbehinderte und blinde Frauen für den Beruf der Medizinisch-Taktilen Untersucherin besonders eignen.

Barbara Vielnascher (© B. Vielnascher)

Barbara Vielnascher leitet das SEBUS-Team und unterstützt dort seit acht Jahren blinde und sehbehinderte Menschen dabei, ihre individuellen Potenziale zu erkennen und sie auf das Berufsleben vorzubereiten. Warum das in der heutigen Zeit gar nicht so einfach ist und mit welchen Barrieren sehbehinderte Menschen in ihrem Alltag konfrontiert sind, erklärt sie uns bei einem spannenden Treffen im Büro von SEBUS. Mit viel Tiefgang und menschlichem Gespür erzählt sie uns, wie die Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen von discovering hands eine Vorbildfunktion für andere sehbehinderte Menschen einnehmen können.

Redaktion: Was ist die Mission von SEBUS und wie sind Sie als Projektverantwortliche zu SEBUS gekommen?

Barbara Vielnascher: Was uns bei SEBUS tagtäglich leitet, sind Werte wie Chancengleichheit in einer inklusiven Arbeitswelt. Unser Ziel ist es die Talente und Potenziale von Menschen mit Sehbehinderungen zu erkennen und zu fördern. Dadurch möchten wir die Personen außerdem bei der Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses unterstützen und ihnen alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aufzeigen, die ihnen im Alltag behilflich sein können. Es geht daher nicht nur um den größtmöglichen individuellen Lernerfolg unserer KlientInnen, sondern vor allem um den Menschen an sich, um die Persönlichkeitsentwicklung und Entfaltungsmöglichkeiten. Mit diesem Ziel haben wir auch die passenden MitarbeiterInnen gefunden, die die gemeinsamen Werte teilen. SEBUS in der heutigen Form hat sich ursprünglich aus einem anderen Projekt heraus entwickelt. Alles hat damals klein begonnen mit drei bis vier Mitarbeitern - mittlerweile sind wir auf ein 23-köpfiges Team angewachsen. Wir haben einen großen TrainerInnenpool sowie MitarbeiterInnen im Office. Seit 2011 bin ich in der Leitung verantwortlich.

Redaktion: Mit welchen Herausforderungen sind blinde und sehbehinderte Menschen in ihrem Alltag und vor allem im Berufsleben konfrontiert?

Barbara Vielnascher: Gerade alltägliche Dinge stellen für sehbehinderte Menschen häufig Probleme dar und werden oft von der Gesellschaft unterschätzt. Sie kosten die Betroffenen viel mehr Disziplin und Kraft als anderen. Allein der Weg in die Arbeit kann schon Herausforderungen mit sich bringen: Wenn zum Beispiel eine Baustelle den Weg blockiert, benötigt es viel Aufmerksamkeit und Konzentration, um den richtigen Umweg zu gehen. Das kostet Energie. Schwierigkeiten ergeben sich natürlich auch in der Berufswelt, da wir in einer sehr optisch orientierten Welt leben, in der Grafiken und Bilder einen großen Stellenwert haben. Verglichen mit Texten ist es sehr schwierig, Grafiken barrierefrei aufzubereiten – vor allem wenn z.B. Websites nicht entsprechend programmiert werden. Generell denken wir oft zu kompliziert, ein paar einfache Regeln zu berücksichtigen, würde nicht nur Menschen mit Sehbehinderungen im Alltag das Leben erleichtern. Die technische Entwicklung hat aber zweifelsohne viele Vorteile gebracht.

Redaktion: Wie unterstützt SEBUS blinde und sehbehinderte Menschen konkret?

Barbara Vielnascher: Zuerst einmal geht es darum, die jeweilige Person kennenzulernen. Dieser wichtige Prozess wird oft unterschätzt. Das Zuhören wird oft gar nicht mehr für wichtig erachtet. Doch bei SEBUS nehmen wir uns für ein Erstgespräch mit unseren KlientInnen mindestens eine Stunde Zeit, um das jeweilige konkrete Anliegen bestmöglich zu verstehen. Dabei ist uns eine wertschätzende Haltung sehr wichtig.
In einem zweiten Schritt geht es im Gespräch dann um die Angebote und Schulungen von SEBUS und um die Möglichkeiten für einen Einstieg in den Arbeitsmarkt.

Redaktion: Welche Kurse werden am stärksten nachgefragt?

Barbara Vielnascher: Computerkurse sind sehr beliebt, alles rund um das Thema EDV wird oft nachgefragt. Das hat sicher damit zu tun, dass AnwenderInnenkenntnisse in sehr vielen Bereichen relevant sind und die Nutzung technischer Hilfsmittel erleichtern. Je besser die Systeme beherrscht werden, desto besser kann man sich im Kurs auf den fachlichen Inhalt konzentrieren. Nachgefragt werden aber Aus- und Weiterbildungen zu den unterschiedlichsten Themenbereichen, weshalb wir im Sinne der Inklusion Bildungsassistenz für den individuellen Ausbildungsweg anbieten.

Redaktion: Es heißt immer, dass es gerade im Gesundheitsbereich kaum Möglichkeiten für sehbehinderte Menschen gibt, beruflich tätig zu werden. Ist das tatsächlich so?

Barbara Vielnascher: Auch wenn der Gesundheitsbereich sehr gefragt ist, war bisher nur die klassische Massageausbildung möglich. Die Ausbildungsmöglichkeit hat sich dann vom gewerblichen zum medizinischen Masseur mit der Aufschulung zum Heilmasseur weiterentwickelt. Die Abschlussprüfung ist hierfür sowohl für sehbehinderte als auch nicht-sehbehinderte Menschen gleich. In Deutschland ist im Vergleich zu Österreich außerdem die Physiotherapieausbildung für sehbehinderte Menschen möglich. Dafür etabliert sich in Österreich gerade das tolle Projekt „discovering hands“, das blinde und sehbehinderte Frauen zur Medizinisch-Taktilen Tastuntersucherin für die Brustkrebsfrüherkennung ausbildet.

Redaktion: Sie haben sich schon vor Jahren sehr dafür eingesetzt, discovering hands nach Österreich zu bringen. Warum?

Barbara Vielnascher: Die Suche nach neuen Berufsmöglichkeiten begleitet uns täglich und gerade die Diskussion um die Vorteile der Brustuntersuchung durch sehbehinderte Frauen und ihr hohes Fingerspitzengefühl gab es immer wieder. Deswegen habe ich den Gynäkologen Herrn Dr. Hoffmann (Anm. Gründer von discovering hands in Deutschland) angeschrieben und das Gespräch mit ihm gesucht. Die Idee von discovering hands, aus einer Behinderung eine Begabung zu machen, die die Gesundheit fördert, finde ich großartig. Es würde für blinde und sehbehinderte Menschen die Möglichkeit im Gesundheitsbereich zu arbeiten um einen spannenden und sinnvollen Beruf erweitern.

Redaktion: Derzeit läuft discovering hands in Österreich als Pilotprojekt. SEBUS hat federführend die Ausbildung der ersten österreichischen Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen (MTUs) koordiniert. Können Sie ein wenig davon berichten, wie es den Teilnehmerinnen ergangen ist? Und wie nimmt die Gesellschaft das Projekt wahr?

Barbara Vielnascher: Dass die Behinderung nicht als Problem, sondern als Vorteil gesehen wird, ist ein guter Schritt. Die Tätigkeit basiert darauf, den Sehsinn nicht zur Verfügung zu haben. Der Aspekt, dass aus einer Behinderung eine Begabung wird, ist für die sehbehinderten Frauen attraktiv. Vom Infoabend zur MTU-Ausbildung über das Assessment durch den Kurs hinweg, ist das berufliche Selbstwertgefühl bei den Teilnehmerinnen merklich gewachsen. Für uns als SEBUS-Team war es bemerkenswert, diese Veränderungen im Selbstvertrauen zu sehen. Menschen mit Sehbehinderungen sind bei anderen Ausbildungen immer wieder mit dem Gedanken konfrontiert, ihre Behinderung durch zusätzliche Anstrengungen kompensieren zu müssen. In der Ausbildung zur Tastuntersucherin können die Frauen ihren stark trainierten Tastsinn gewinnbringend einsetzen, der für diesen Beruf essenziell ist.

Was die Gesellschaft betrifft, so haben wir sehr viel mit den unterschiedlichsten Interessensgruppen über discovering hands gesprochen und ich habe nie jemanden getroffen, der die Idee als Blödsinn abgetan hätte. Die Meisten sehen den Vorteil und den gesellschaftlichen Mehrwert des Projekts.
Ich bin ja persönlich sowieso ein großer Fan davon, mir Dinge zu überlegen, die nicht nur einen Vorteil bringen, sondern eine win-win-Situation in mehreren Dimensionen herstellen.  Genau das ist es, was discovering hands so besonders macht: Nicht nur die untersuchten Frauen profitieren davon oder die auszubildenden Tastuntersucherinnen, sondern es zeigt auch der Gesellschaft, was alles möglich ist, wenn man Diversität lebt, statt Ausgrenzung.

Redaktion: Haben Sie sich selbst schon von einer MTU untersuchen lassen?

Barbara Vielnascher: (lacht) Selbstverständlich. Wir waren eine Zeit lang die am gründlichsten untersuchten Frauen in Österreich, weil es gerade am Anfang der Pilotausbildung viele Probandinnen brauchte. Je mehr Frauen für die Untersuchung zur Verfügung standen, desto besser für die Damen in der Ausbildung. Es war also vollkommen selbstverständlich, dass wir uns zur Verfügung gestellt haben.

Redaktion: Wie sehen Sie die Zukunft von discovering hands Österreich?

Barbara Vielnascher: Unser Rechtssystem in allen Ehren, aber es ist in Österreich schwierig, etwas Neues umzusetzen. Jedoch glaube ich, dass wir mittlerweile einige Schritte weiter sind. Es gibt ein großes Unterstützungsnetzwerk für discovering hands und es sollte nur mehr eine Frage der Zeit sein, bis das Berufsbild der Medizinisch-Taktilen Untersucherin gesetzlich verankert wird. discovering hands steht auf einem soliden Grund, der sich früher oder später bezahlt machen wird.

Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch! 

 

Redakteurin Caro Koppensteiner/ SuperPR

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