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Emine Cam kann Dinge sehen, für die andere blind sind

Emine Cam ist eine ausgebildete Medizinisch-Taktile Untersucherin. Die 30-Jährige ist von Geburt an stark sehbehindert und spürt nicht nur atmosphärisch jede irritierende Schwingung, sondern kann auch kleinste Veränderungen im Brustgewebe frühzeitig wahrnehmen und ertasten.

Es gibt inzwischen zahlreiche empirische Belege für die sogenannte Kompensationshypothese, die davon ausgeht, dass ein fehlender Sinn quasi "substituierbar" ist. Dass blinde Menschen besser spüren und tasten als Sehende, ist mittlerweile eine wissenschaftliche Tatsache und keine mitfühlende Legende: Wer von Geburt an blind ist, besitzt oft ein erstaunliches Tast- und Hörvermögen. Forscher haben jetzt eine Erklärung dafür gefunden: Offenbar erfüllt die Sehrinde im Gehirn der Blinden andere Aufgaben und schärft so die anderen Sinne. Emine ist von Geburt an stark sehbehindert und hat in der rund einjährigen Ausbildung zur Medizinisch-Taktilen Untersucherin (MTU) ihre Sinne noch mehr geschärft. Heute wendet sie diese Begabung in der Brustkrebsfrüherkennung an, wo sie durch eine speziell entwickelte Methode achtsam und sensibel das Brustgewebe abtastet.

An einem verschneiten Mittwochvormittag treffen wir die junge MTU im Brustzentrum der Privatklinik Döbling. Selbstbewusst steht sie da, offensiv und unverkrampft geht sie mit ihrer Sehschwäche um. Dabei ist sie direkt, klar und sprüht vor Energie. Emine riecht, schmeckt, hört und spürt intensiver und ihre Motivation ist für uns ansteckend und inspirierend. Zwischen mehreren Tastuntersuchungen nimmt sich Emine Zeit für ein Gespräch. Dabei erzählt sie uns von ihrer persönlichen Geschichte, ihrem Weg zu discovering hands Österreich und ihrem emotionalsten Erlebnis.

 

 

Redaktion: Emine, erzähle uns doch bitte ein wenig von deiner persönlichen Geschichte.

Emine: Ich bin von Geburt an stark sehbehindert. Jeder von uns hat fünf Sinne. Doch wenn das Sehen, die visuelle Wahrnehmung mit den Augen, nicht ausreichend ausgeprägt ist, funktionieren die anderen vier Sinne – das Tasten, Hören, Riechen, Schmecken – viel besser. Mein Fokus liegt daher auf der Ausübung dieser vier Sinne. Es ist also quasi eine Gabe, die ich nicht trainieren musste. Ich habe sie einfach und setze sie nun beruflich ein. (Sie lächelt)

Redaktion: Wie ist das, wenn der Tastsinn besser ausgeprägt ist?

Emine: Da ich kaum sehen kann, berühre und ertaste ich mehr Dinge. Man riecht auch intensiver. Wir hören mehr. Wir verlassen uns nicht nur, wie viele sehende Personen, auf den Sehsinn. Wenn ich fremden Menschen begegne, achte ich vor allem auf ihre Stimme. Ich muss die Person nicht anfassen. Durch Kommunikation kann ich auf den Charakter schließen - ich habe eine gute Menschenkenntnis.

Redaktion: Du arbeitest jetzt hauptberuflich bei discovering hands. Welche Berufe hast du zuvor ausgeübt?

Emine: Ich war Telefonistin und habe verschiedene Kurse gemacht. Ich war auch bei Dialog im Dunkeln und den Vier Sinnen (Anmerkung Redaktion: Vier Sinne ist ein Restaurant mit Dinner im Dunkeln). Vor allem der Job als Telefonistin war nicht einfach: Man musste den Leuten ständig etwas verkaufen. Bei discovering hands bin ich Emine. Ich übe das aus, was ich gut kann, ich kann meine Begabung einsetzen. Dadurch kann ich nicht nur meinen ausgeprägten Tastsinn einsetzen. Mit meinen Händen helfe ich Frauen und kann ihr Leben retten.  

Redaktion: Was macht Emine gerne privat?

Emine: Ich bin Leistungssportlerin. Ich trainiere Torball (Anmerkung Redaktion: Torball ist eine Blindensportart), gehe gerne schwimmen und laufen. Ich treffe mich mit Freunden und Familie. Ich gehe gerne ins Kino. Ich singe gern, war sogar schon bei Castings.

Redaktion: Warum arbeitest du als Medizinisch-Taktile Untersucherin bei discovering hands?

Emine: Ich übe diesen Beruf aus, weil ich davon überzeugt bin, dass ich einen sehr guten Tastsinn habe. Dies hat sich auch schon in der Praxis bewiesen. Viele Patientinnen bekommen nicht einmal mit, wenn ich etwas ertaste, weil ich Knoten sehr rasch lokalisieren kann. Ich arbeite einfach wahnsinnig gerne mit anderen Menschen. Und mein herausragender Tastsinn befähigt mich dazu, Frauen fachgerecht zu untersuchen. Diese Kombination macht den Beruf zu einer Tätigkeit, die mir große Freude bereitet. Auch finde ich die Zusammenarbeit mit den Ärztinnen und Ärzten durchwegs konstruktiv und sehr interessant.  

Redaktion: Wie bist du auf discovering hands Österreich aufmerksam geworden? Warum hast du dich dort beworben?

Emine: Ich habe in einem E-Mail-Portal für Blinde und Sehbehinderte gelesen, dass discovering hands Österreich Leute wie mich sucht und habe mich daraufhin dort gemeldet. Ich dachte: Wenn ich gut bin, nehmen sie mich. Wie bereits erwähnt arbeite ich auch gerne mit Menschen zusammen. Der Job hat also perfekt zu mir gepasst.

Redaktion: Wie war der Ablauf der Bewerbung für dich? Wie hast du das empfunden?

Emine: Die Aufnahmeprüfung erstreckte sich über mehrere Tage. Da wurden zum Beispiel mein Tastsinn und meine Computerkenntnisse getestet und natürlich wurde ich auch zu meinen persönlichen Beweggründen befragt. Nur die besten Bewerberinnen wurden genommen. Ich war eine davon, darauf bin ich sehr stolz. Mittlerweile bin ich bereits seit über zweieinhalb Jahren als Medizinisch-Taktile Untersucherin im Einsatz.

Redaktion: Wie kann man sich die Ausbildung bei discovering hands vorstellen?

Emine: Die Ausbildung zur MTU dauert rund ein Jahr. Dabei lernen wir vieles zur Brustgesundheit, Anatomie, Histologie und der Methode der Taktilographie an sich. Anschließend folgen eine kommissionelle Prüfung und Praktika in Spitälern und bei Gynäkologen. In den Kliniken lag der Fokus auf den pathologischen Befunden der Brust. Doch auch unser Tastsinn wurde weiter verfeinert und speziell für die Tastuntersuchung geschult.

Redaktion: Eine Brustuntersuchung ist oft mit Angst verbunden. Wie kannst du hier auf Patientinnen eingehen?

Emine: Ich bereite alle Damen stets detailliert auf die bevorstehende Untersuchung vor, nehme mir genug Zeit für jede einzelne Person, gehe behutsam auf ihre Bedürfnisse und Anliegen ein und versuche ihnen somit die Angst zu nehmen.

Redaktion: Wie läuft die Untersuchung ab?

Emine: Der Ablauf einer Untersuchung schaut konkret so aus: Ich stelle mich vor und frage nach, wie es der Patientin geht und weshalb sie zur Untersuchung gekommen ist. Wir füllen gemeinsam einen Anamnesebogen aus und ich erkläre anhand einer Folie, wie die Untersuchung durchgeführt wird. Dass zum Beispiel die Brust in mehrere Zonen geteilt wird und dafür Streifen aufgeklebt werden. Danach wird die Patientin abgetastet – Zentimeter für Zentimeter, Reihe für Reihe, Ebene für Ebene. In der Ruhe und der genauen Zuwendung liegt die Kraft.

Redaktion: Wie ist das Feedback der Patientinnen?

Emine: Natürlich ist das Wichtigste, dass sich die Frauen wohlfühlen, mir vertrauen und sich fallen lassen können. Die Frauen sagen immer: „Emine, du hast das sehr gut gemacht. Es tat mir gar nicht weh.“ Ich denke, sie fühlen sich wohl und sind auch positiv überrascht von meinem guten Tastsinn.

(Anmerkung Redaktion: Das hat sich auch schon auf der Facebook-Seite von discovering hands Österreich gezeigt, wo eine Patientin schwärmt: „Ich war schon dort und Emine ist der Wahnsinn - sie tastet sehr vorsichtig und ist nebenbei auch noch sehr witzig. Liebe Damen, diese Untersuchung ist Goldes Wert, meldet Euch an.“)

Redaktion: Was war denn dein emotionalstes Erlebnis mit einer Patientin bei discovering hands Österreich?

Emine: Als ich noch in der Ausbildungsphase war, hatte ich eine 16-jährige Patientin. Ich habe an ihr mehrere Fibroadenome (Anmerkung der Redaktion: Gutartige Knoten in der Brustdrüse) ertastet. Das hat mich sehr berührt. Eine 16-jährige junge Frau, die ihre Mutter selbst sehr früh verloren hat. So etwas berührt mich. Ich war ergriffen und wusste in diesem Moment auch ganz klar, wie wichtig und sinnvoll unsere Arbeit ist.

Redaktion: Was wünscht du dir für die Zukunft?

Emine: Wir sind jetzt in der Studienphase und ich hoffe wirklich sehr, dass das Berufsbild der Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen in Österreich anerkannt wird. Damit dies möglich wird, brauchen wir jedoch noch weitere Studienteilnehmerinnen. Also Frauen, meldet euch an und begebt euch in meine vertrauensvollen Hände. Ich würde es begrüßen, wenn mehr blinde oder sehbehinderte Frauen diesen Beruf ausüben könnten. Warum soll man seine Begabung nicht für so etwas Wertvolles einsetzen?

Redaktion: Was ist deine persönliche Botschaft an die Frauen?

Emine: Erstens: die Untersuchung ist im Rahmen der Studie kostenlos! Zweitens: jede Frau ab 40 kann davon nur profitieren. Drittens: so etwas gab es noch nie zuvor in Österreich - probiert es aus! Kommt und spürt es selbst.

Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch.

 

Über so manche Kurzsichtigkeit, mit der die Gesellschaft blinde und sehbehinderte Menschen betrachtet, kann Emine sich nur wundern. Emine ist mit ihrer besonderen Begabung für discovering hands täglich im Einsatz. Wenn Menschen mit Behinderung Karriere machen möchten, stoßen sie oft nicht nur auf bauliche Barrieren in Schulen, Universitäten und auf Barrieren im IT-Bereich. Oft stehen Unverständnis, Vorurteile und eine allgemeine Unterschätzung im Raum. discovering hands will bald ein Berufsbild ins Leben rufen, welches helfen soll, dass die Gesellschaft diese Dinge mit anderen Augen sehen kann.

 

Um Emines Worte noch einmal zu wiederholen: "Komm und spüre es selbst!" Unter www.discovering-hands.at/studie finden Sie alle Informationen zur Studienteilnahme bei discovering hands Österreich.

 

 

 

Redakteurin: Vanessa Toth/Super PR

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