Dr. Birgit Anker, Fachärztin für Geburtshilfe und Gynäkologie, ist seit 2015 im Brustgesundheitszentrum der Krankenanstalt Rudolfstiftung tätig. In einem persönlichen Gespräch erzählt sie uns, welchen Stellenwert Zeit und Zuwendung für Brustkrebspatientinnen haben, was sie aus ihrer Zusammenarbeit mit unseren Medizinisch-Taktilen Untersucherinnen gelernt hat und warum sie auf den Erfolg von discovering hands Österreich hofft.
Redaktion:Was können Sie uns über Ihre Arbeit in der Krankenanstalt Rudolfstiftung erzählen? Welche Rolle haben Sie hier?
Dr. Birgit Anker: Ich bin seit 2011 in der Krankenanstalt Rudolfstiftung tätig und habe hier meine Ausbildung zur Fachärztin für Geburtshilfe und Gynäkologie absolviert. Seit 2015 bin ich Teil des Brustgesundheitsteams.
Redaktion: Welche Aufgaben und Ziele verfolgt das Brustgesundheitszentrum der Krankenanstalt Rudolfstiftung?
Dr. Birgit Anker: Im Brustgesundheitszentrum betreuen wir alle Formen von Brusterkrankungen. Wir versorgen Frauen mit bösartigen als auch gutartigen Tumoren und häufig auch Brustentzündungen. Als interdisziplinäres Team ist es uns möglich, Diagnostik, Therapie und Nachsorge im Haus anzubieten. Unterschiedlichste Abteilungen – von der Gynäkologie über die Chirurgie bis hin zur Psychoonkologie – arbeiten bei uns eng zusammen, um unseren Patientinnen eine bestmögliche Betreuung bieten zu können. Unser Angebot und unsere Möglichkeiten erweitern sich ständig – das ist uns wichtig. Besonders stolz sind wir momentan auf die moderne Ausstattung unserer Radiologie. Seit Kurzem haben wir die Möglichkeit, Magnetresonanz-Mammographien mit Kontrastmittel bei uns im Haus durchzuführen. Das kann wichtige Zusatzinformationen in der Brustdiagnostik liefern.
Redaktion: Ihre Meinung als Expertin: Wo liegen die besonderen Bedürfnisse von Patientinnen mit der Diagnose Brustkrebs?
Dr. Birgit Anker: Brustkrebspatientinnen benötigen nicht nur medizinische Begleitung im Prozess der Abklärung und Therapie, sondern auch psychologische Unterstützung. Sie brauchen Gespräche, Zeit und Zuwendung. Besonders in der Nachsorge, wenn es unter anderem darum geht Rückfälle frühzeitig zu erkennen, sind Brustkrebspatientinnen oft ängstlicher als Patientinnen mit anderen gutartigen Brusterkrankungen. Zudem sind sie sicher aufmerksamer für Veränderungen. Sie wissen, dass der Krebs theoretisch immer wieder kommen kann und sehnen sich nach Sicherheit. Gerade aus diesem Grund sind Brustkrebspatientinnen ganz besonders dankbar für jede Methode der Nachsorge und jede Person, die ihnen ein bisschen mehr Sicherheit geben kann.
Redaktion: Das Brustgesundheitszentrum Rudolfstiftung ist Ausbildungs- und Studienpartner von discovering hands. In diesem Zusammenhang haben Sie ja laufend Kontakt mit unseren Medizinisch-Taktilen-Untersucherinnen (MTUs). Welchen Eindruck haben Sie persönlich von ihnen gewonnen?
Dr. Birgit Anker: Ich habe die MTUs in ihrer Ausbildungsphase kennengelernt. Die Zusammenarbeit mit ihnen war für mich persönlich eine wertvolle Erfahrung. Ich konnte mich mit den MTUs über meinen eigenen Tastbefund austauschen und hatte die Möglichkeit für Feedback. Das ist ja normalerweise, wenn man als Ärztin allein untersucht nicht der Fall. Ich habe also sicher etwas dazugelernt.
Redaktion: Gab es während Ihrer Zusammenarbeit mit unseren MTUs Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?
Dr. Birgit Anker: Besonders war natürlich immer wieder, wenn die MTUs etwas getastet haben, was vorher im Ultraschall oder in der Bildgebung nicht aufgefallen war. Das hat uns einerseits gezeigt, was für ein Fingerspitzengefühl die MTUs haben und andererseits, dass die Bildgebung nicht 100-prozentig ist. Obwohl die Bildgebung natürlich unersetzlich ist, ist es also ein großer Vorteil, wenn wir möglichst viele ergänzende Methoden haben, um den Patientinnen möglichst viel Sicherheit bieten zu können.
Redaktion: Ihre Wahrnehmung: Wie sind unsere Tastuntersuchungen bei Ihren Patientinnen angekommen?
Dr. Birgit Anker: Wie zuvor schon erwähnt, haben speziell Patientinnen in der Brustkrebs-nachsorge ein besonderes Bewusstsein für Brustgesundheit, Ängste, dass der Brustkrebs wiederkommt, und ein starkes Bedürfnis nach persönlicher Zuwendung. Sie alle haben die Tastuntersuchungen durch MTUs daher dankend angenommen und es wertgeschätzt, dass sich jemand Extrazeit für sie genommen und sie so genau untersucht hat. Das gab ihnen zusätzliche Sicherheit und hatte einen ganz besonderen – vor allem psychologischen –Mehrwert.
Redaktion: Stichwort Mehrwert: Worin sehen Sie den Mehrwert unserer Initiative?
Dr. Birgit Anker: Die Zusammenarbeit mit discvovering hands Österreich brachte dem Brustgesundheitszentrum der Krankenanstalt Rudolfstiftung in vielerlei Hinsicht einen besonderen Nutzen. Durch das Angebot der Tastuntersuchungen hatten wir die Möglichkeit auf eine weitere ergänzende Methode der Diagnostik und Kontrolle zurückzugreifen. Zudem hat sich das Vertrauensverhältnis zwischen Patientinnen und dem Brustgesundheitszentrum durch die Zeit und Zuwendung, die Brustkrebspatientinnen im Rahmen der Medizinisch-Taktilen Untersuchungen erfahren, deutlich verbessert.
Redaktion: Ihre Meinung als Expertin: Wie könnten Medizinisch-Taktile Untersucherinnen im Bereich der Brustkrebsfrüherkennung aus Ihrer Sicht optimal eingebunden werden?
Dr. Birgit Anker: Was die Brustkrebsfrüherkennung betrifft, ist es sehr wahrscheinlich, dass man durch das Angebot der Medizinisch-Taktilen Untersuchung mehr Frauen davon überzeugen kann, zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen. Viele Frauen haben Angst vor der Mammographie. In Diagnosezentren ein Setting zu schaffen, in dem eine Tastuntersuchung zusätzlich zur Mammographie stattfindet, könnte sicher ein Stückchen dieser Angst nehmen - einerseits durch den Aufbau von Vertrauen und andererseits durch die Zeit, die sich für die Patientin und die Thematik Brustgesundheit genommen wird.
Abgesehen davon sehe ich natürlich großes Potential in der Brustkrebsnachsorge – genauso wie es hier bei uns im Brustgesundheitszentrum auch schon erprobt wurde. Der Nachsorge-Prozess sieht zusätzlich zur jährlichen Mammographie alle drei Monate eine Tastuntersuchung vor. Medizinisch-Taktile Untersucherinnen könnten Ärzt*innen in dieser Aufgabe perfekt unterstützen.
Redaktion: Wie sehen Sie die Zukunft von discovering hands Österreich?
Dr. Birgit Anker: Ich sehe großes Potential und hoffe wirklich, dass wir diese Methode in Österreich etablieren können!
Redaktion: Gibt es irgendetwas, das Sie discovering hands mitgeben möchten?
Dr. Birgit Anker: Ja, dass ihr mit dem Herzblut, mit dem ihr jetzt dabei seid, auch dabei bleibt und das Ziel nicht aus den Augen verliert. Und auch den MTUs möchte ich sagen: Ihr seid einfach wunderbar, seid super ausgebildet und habt ganz großartige Fähigkeiten. Viel Erfolg weiterhin!
Vielen Dank für das spannende Gespräch!
Redakteurin: Helena Gabriel